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Brain-Computer Interfaces (Teil 1): Funktion und Arten

Die Verknüpfung des menschlichen Gehirns mit einer Maschine mithilfe sog. Brain-Computer Interfaces könnte in Zukunft völlig neue Möglichkeiten eröffnen und unser Leben bestimmen. Doch was steckt hinter dieser neuartigen Technologie? Wie funktioniert diese? Welche Anwendungsmöglichkeiten gibt es? Und wie sieht die datenschutzrechtliche Regulierung aus? All diesen Fragen wollen wir uns in dieser kleinen Reihe zu Brain-Computer Interfaces widmen: Teil 1: Funktion und Arten, Teil 2: Anwendungsmöglichkeiten, Teil 3: Datenschutz

Human Enhancement und Transhumanismus

Unter Human Enhancement (Verbesserung des Menschen) versteht man die gezielte Optimierung von menschlichen Gegebenheiten, die über die natürlichen Grenzen und Maßstäbe hinausgehen.[1] Dabei wird meist die transhumanistische Maxime verfolgt, die derzeit bestehenden Limitationen des menschlichen Körpers und Lebens zu beseitigen.[2] Zentral ist die Überwindung des Alterns und der mentalen Grenzen.[3]

Ziel dieser Strömungen ist es also den derzeitigen Stand der menschlichen Spezies hinter sich zu lassen, um die Menschheit auf die nächste technisch-evolutionäre Ebene zu bringen[4] und um einen vorteilhaften Fortschritt für die gesamte Gesellschaft zu erreichen.[5]

Mit Brain-Computer Interfaces (Gehirn-Maschine Verknüpfungen) steht eine technologische Neuerung vor der Tür, die einen wesentlichen Schritt hin zu diesen Zielen bedeuten könnte.

Elektrische Gehirne

Bereits 1875 entdeckt man, dass das Gehirn von Säugetieren elektrische Signale produziert.[6] Allerdings dauerte es noch beinahe 40 weitere Jahre, bis darauf aufbauend 1929 die sogenannte Elektroenzephalografie (EEG) als grundlegendes Mittel der Hirnforschung entwickelt wurde. Die EEG ermöglicht es seitdem, die elektrischen Signalen des Gehirns durch die Kopfhaut hindurch aufzuzeichnen.[7]

Weitere knapp 40 Jahre später gelingt dann auch schon die erste grundlegende Verknüpfung des menschlichen Gehirns mit einer Maschine: 1965 spielte Alvin Lucier sein Stück „Music for Solo Preformer“ nur mit seinen Gedanken. Funktionieren konnte dies, da Echtzeit-EEG die Alpha-Wellen in seinem Gehirn so weit verstärkten, dass diese Schwingungen in Lautsprechern auslösten, welche wiederum Schlaginstrumente stimulierten.[8]

Beinahe zeitgleich wird der mögliche Nutzen des „elektrischen Gehirns“ auch bei der Behandlung von psychischen Problemen entdeckt. Beim sog. Neurofeedback werden Gehirnaktivitäten in Echtzeit analysiert, aufbereitet und dem Probanden als Rückmeldung dargestellt. Damit entsteht die Möglichkeit, dass bspw. Depressionen, Epilepsie, Schlafstörungen und noch vieles mehr, durch die Selbstregulierung von Gehirnaktivitäten behandelt werden können.[9]

Brain-Computer Interfaces

Mit all diesen Errungenschaften wurde der Grundstein für die sog. Brain-Computer Interfaces gelegt. Brain-Computer Interfaces sind eine Verknüpfung des menschlichen zentralen Nervensystems, insb. des Gehirns, mit einem elektronischen System, wie bspw. einem Computer.

Das zentrale Nervensystem ist dafür zuständig äußere und innere Vorgänge, Einflüsse und Sinnesreize zu verarbeiten und entsprechende hormonelle oder neuromuskuläre Outputs zu generieren.[10] Dafür ist ein hoch komplexes neuronales und muskuläres Zusammenspiel notwendig. Elektrophysiologische, neurochemische und metabolische Prozesse bewerkstelligen dieses Zusammenspiel und zeigen sich bspw. als elektrische oder magnetische Signale im Gehirn.[11] Genau diese Signale können BCI aufzeichnen und in Outputs umwandeln.[12]

Funktion von Brain-Computer Interfaces

Die genaue Funktion von Brain-Computer Interfaces ist komplex und hochgradig technisiert. Grundlegend reagieren Brain-Computer Interfaces entweder auf exogene oder endogene Reize/Signale. Exogene Reize sind bspw. visuelle oder auditive Stimuli, die kognitive Aktionen/Reaktionen hervorrufen, die Brain-Computer Interfaces dann entsprechend interpretieren können. Endogene Signale wiederum entstehen ohne physikalisch manifestierte Stimuli, sondern allein durch die Kontrolle der eigenen Gehirnaktivitäten.[13]

Aus diesen Signalen können Brain-Computer Interfaces dann Outputs generieren. Dabei gibt es grundlegend zwei Möglichkeiten, um die gewünschten Outputs zu erreichen.[14]

  1. Goal selection: Hier teilt der Nutzer dem BCI lediglich das Ziel mit. (z.B. „Fahr den Rollstuhl in die Küche.“ – Das Brain-Computer Interface übersetzt dann lediglich den Befehl und den Weg in die Küche übernimmt dann die „Maschine“.)
  2. Process control: Hier ist der Nutzer in alle Details des Prozesses involviert. (z.B. „Fahr den Rollstuhl in die Küche.“ – Nutzer steuert dabei aber per Brain-Computer Interface jede Bewegung der „Maschine“.)

Heruntergebrochen folgen Brain-Computer Interfaces dabei vier immer gleichbleibenden Schritten: 1. Signalaufzeichnung, 2. Extraktion von relevanten Signalen, 3. Übersetzung der relevanten Signale und 4. Output-Generierung.[15]

Bahnbrechend daran ist, dass Brain-Computer Interfaces damit neue künstliche Formen von Outputs ermöglichen, die das natürliche komplexe Zusammenspiel zwischen Gehirn, Nervensystem und Muskeln umgehen.[16] Herkömmliche natürliche Outputs können somit entweder ersetzt, wiederherstellt, aufwertet, ergänzt oder verbessert werden. [17]

Arten von Brain-Computer Interfaces

Es gibt zwei Möglichkeiten das Gehirn mit einer Maschine zu verbinden: Nicht-invasiv und invasiv/semi-invasiv.

Bei der nicht-invasiven Variante werden Gehirnaktivitäten durch an der Kopfhaut angebrachte Sensoren aufgezeichnet. Dafür eignet sich bspw. eine EEG-Kappe. Diese bietet eine einfache und portable Nutzung zu vergleichsweise niedrigen Kosten. Nachteil ist allerdings, dass die Ergebnisse oftmals relativ ungenau sein können, da Signale nur global aufgezeichnet werden.[18] Auch MEG (Magnetoenzephalographie) oder fMRT (Funktionelle Magnetresonanztomographie) können genutzt werden, um Gehirnaktivitäten zu identifizieren. Diese Alternativen liefern bessere und schnellere Ergebnisse, benötigen aber vergleichsweise große Maschinen. Ebenso muss der Kopf dabei fixiert sein und ein magnetisches Feld erzeugt werden.[19]

Die feinste Signalqualität und die besten Ergebnisse liefern allerdings die invasiven und/oder die semi-invasiven Varianten.[20] Bei semi-invasiven Brain-Computer Interfaces werden Elektroden unter der Kopfhaut direkt auf dem Schädel platziert. Bei invasiven Brain-Computer Interfaces wird dann sogar die Schädeldecke geöffnet, um sehr feine Elektroden direkt auf oder in der Großhirnrinde zu implantiert.[21] An dieser Variante arbeitet bspw. Elon Musks Unternehmen Neuralink. Dieses möchte per Roboter 96 Fäden in die Großhirnrinde implementieren, die insg. 3.072 Elektroden beinhalten.[22] Nachteil bei den invasiven/semi-invasiven Brain-Computer Interfaces sind allerdings die derzeit noch bestehenden Gefahren für die Nutzer. Denn durch den notwendigen Eingriff können Schäden am Hirngewebe, Infektionen und Nervenschäden auftreten. Ebenso können unvorhersehbare Reaktionen des Gewebes auf die Elektroden stattfinden.[23] 

Derzeit werden hauptsächlich nicht-invasive Brain-Computer Interfaces genutzt. In Zukunft sind vermehrt invasive operative Eingriffe in bestimmten Fällen aber durchaus denkbar.

Doch was kann man mit dieser Technologie nun konkret anfangen? Darum soll es in unserem nächsten Blogbeitrag in dieser Reihe gehen. Folgt uns gerne auf Facebook, LinkedIn oder XING, um diesbezüglich auf dem Laufenden zu bleiben.

Richtig spannend sind auch unsere weiteren Blog-Beiträge. Hier z.B. zum Speichermedium DNA.


Quellen

[1]   Woyke, in: Woyke et al., Die Debatte über „Human Enhancement“, 2010, S. 21 (21 f.).

[2]   Battle-Fisher, Ethics, Medicine and Public Health 2020, S. 1 (2).

[3]   Lilley, Transhumanism and Society, 2013, S. 1 f.

[4]   Battle-Fisher, Ethics, Medicine and Public Health 2020, S. 1 (2).

[5]   Lilley, Transhumanism and Society, 2013, S. 14 ff.

[6]   Caton, British Medical Journal 1875, S. 278 (278).

[7]  Berger, Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten 1929, S. 527-570.

[8]   Straebel/Thoben, Organised Sound 2014, S. 17 (22).

[9]   Kamiya, in: Charles Tart (Hrsg.), Altered States of Consciousness: A Book of Readings, S. 489 (489 ff.); bzgl. klinischer Anwendungsmöglichkeiten von Neurofeedback: Sterman/Friar, Electroencephalography and Clincal Neurophysiology 1972, S. 89 (92).

[10]   Liyanage/Bhatt, in: Dey/Shour/Fong, Wearable and Implantable Medical Devices, 2020, S. 55 (56); Wolpaw/Winter Wolpaw, in: Wolpaw/Winter Wolpaw, Brain-Computer Interfaces, 2012, S. 3 (3).

[11]   Wolpaw/Winter Wolpaw, in: Wolpaw/Winter Wolpaw, Brain-Computer Interfaces, 2012, S. 3 (4).

[12]   Guger et al., in: Guger et al., Brain-Computer Interface Research, 2019, S. 1 (1).

[13]   Mugdal et al., Interdisciplinary Neurosurgery 2020, S. 1 (2).

[14]   Wolpaw/Winter Wolpaw, in: Wolpaw/Winter Wolpaw, Brain-Computer Interfaces, 2012, S. 3 (9 f.).

[15]   Shih et al., Mayo Clinic Proceedings 2012, S. 268 (270).

[16]   Beak et al., Computational Intelligence and Neuroscience 2019, S. 1 (1 f.); Wolpaw/Winter Wolpaw, in: Wolpaw/Winter Wolpaw, Brain-Computer Interfaces, 2012, S. 3 (6 ff.); Mugdal et al., Interdisciplinary Neurosurgery 2020, S. 1 (2).

[17]   Wolpaw/Winter Wolpaw, in: Wolpaw/Winter Wolpaw, Brain-Computer Interfaces, 2012, S. 3 (3 f.).

[18] Bansal/Mahajan, EEG-Based Brain-Computer Interfaces: Cognitive Analysis and Control Applications, 2019, S. 63; Zhang/Wang/Fuhlbrigge, Proceedings of the 2010 IEEE 2010, S. 379 (380).

[19] Kosmyna/Lécuyer, PLoS One 2019, S. 1 (4 f.); Zhang/Wang/Fuhlbrigge, Proceedings of the 2010 IEEE 2010, S. 379 (380).

[20]   Mak/Wolpaw, IEEE Reviews in Biomedical Engineering 2009, S. 189 f.

[21]   Clément, Brain-Computer Interface Technologies, 2019, S. 60 f.; Kawala-Sterniuk, Brain Sciences 2021, S. 1 (13).

[22]   Musk/Neuralink, An Integrated Brain-Machine Interface Platform with Thousands of Channels, v. 16.7.2019.

[23]   Otto/Ludwig/Kipke, in: Wolpaw/Winter Wolpaw, Brain-Computer Interfaces, 2012, S. 79 (92 ff.).

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